Bildung und
Ausbildung sollen zunehmend wirtschaftlichen Effizienzansprüchen genügen. Zu
diesem Fazit kam Prof. Jochen Krautz, Alanus-Hochschule Alfter, in seinem
Vortrag “Wa(h)re Bildung”, den er im Januar in die Räumlichkeiten der
Martin-Luther-Kirche in Erlangen gehalten hat. Gemeinsam hatten hierzu die
Martin-Luther-Gemeinde, der Verein “Für die Familie”, BürgerdirektDemokratie
und die Kolpingfamilie Büchenbach eingeladen.
Engagiert und
fundiert zeigte der Pädagoge Prof. Krautz, Autor des Buches “Ware Bildung.
Schule und Universität unter dem Diktat der Ökonomie”, vor rund 100 Besuchern
eine Entwicklung der letzten Jahrzehnte auf, die unser Schulwesen grundsätzlich
verändert.
Fit machen
für die Wirtschaft statt echte Bildung
Ziel ist ein Bildungsbegriff, der die
Persönlichkeit des Schülers den profitorientierten Interessen der globalisierten
Wirtschaft unterordnet. Der Bildungsbegriff, wie er u.a. in der Bayerischen
Verfassung[1] verankert
ist, geht dagegen vom Menschen aus. Kindergarten, Schule und Hochschule dienen
der Entwicklung der Persönlichkeit zu verantwortungsbewussten, geistig
unabhängigen und mitfühlend handelnden Menschen: Grundlagen für das
Gelingen von Demokratie. Dieser Prozess findet in der Beziehung Schüler –
Lehrer – Welt statt, also in einem interpersonalen Vorgang. Die heutige Bildungsdiskussion
wirft die Humboldtschen Ideale über Bord. Krautz räumte ein, dass diese Ideale
wohl auch nie ganz verwirklicht waren. Aber statt sich ihnen anzunähern,
wurden sie durch reine Nützlichkeitserwägungen ersetzt: Bildung dient heute
dazu, Menschen zu befähigen, sich den Erfordernissen der freien
Marktwirtschaft anzupassen. Anpassung statt Entfaltung des Menschen fordern
Wirtschaft, internationale Organisationen sowie Verbände, was Krautz anhand
vieler Dokumente klar belegte. Er entlarvte die Schlagworte und die Flut von
Tests der heutigen Bildungspolitik als Instrumente zur Durchsetzung der Marktinteressen.
All dies geschieht am Volk und Parlament vorbei.
Computer
statt Beziehung
Aus Sorge, ob
ihre Kinder fit für die Zukunft sein werden, fallen viele Politiker, Lehrer und
Eltern auf die gängigen Schlagworte herein und fordern z. B. „mehr Computer im
Unterricht“. Die Pädagogik wird durch einen "Supermarkt der
Kompetenzen" ersetzt und die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler
vermarktbaren Methoden geopfert. Mit ständig neuen Begriffen wird den
potentiellen Käufern dieser zur Ware verkommenen Bildung eine falsche Hoffnung
suggeriert: So wird Ihr Kind fit für die Zukunft. Gleichzeitig werden Eltern
und Lehrer entmündigt, denn die Begriffe entbehren jeder Definition. Prof.
Krautz analysierte diese Taktik mit klaren Worten und unzähligen Belegen.
Privatisierung
statt Bildung für alle
Mit dem
Schlagwort Schulautonomie wird heute den Schulen ein freier Gestaltungsraum
versprochen, bedeutet aber in der Realität eine Verknappung der finanziellen
Mittel. Schulleiter, die mehr und mehr zu Managern mutieren, sind gezwungen,
andere Quellen anzuzapfen und binden sich zunehmend an private Investoren.
Diese fordern im Gegenzug unmittelbaren Einfluss auf die Lehrinhalte,
staatliche Schulen wurden z.B. schon mit dem Beinamen „Metroschule“ versehen.
In Universitäten und Fachhochschulen ist dieser Prozess, der das Aus für die
freie Forschung und Lehre bedeutet, noch weiter fortgeschritten.
Werden Output,
Effizienz und Ranking bestimmend für die Gestaltung des Unterrichts, müssen
diejenigen, die die geforderte Leistung nicht erbringen, auf nachmittäglichen
Nachhilfeunterricht zurückgreifen – ein gigantischer Markt. Bertelsmann hat
beispielsweise seine Musiksparte verkauft und investiert verstärkt in den
Bildungsbereich, weil das „ein viel lukrativerer Markt“ ist. Diejenigen
Kinder, deren Eltern die finanziellen Mittel für teuren Zusatzunterricht
fehlen, haben Pech gehabt, sie werden zu Verlierern dieses Systems. Die Schere,
die sich auftut, ist gewollt.
Die genannten
Entwicklungen bewusst zu machen, war das Anliegen des Abends. Dass dies
gelungen ist, zeigte sich an der lebhaften Diskussion. Das allgemeine Gefühl
"hier stimmt etwas nicht" wich der Erkenntnis, dass der mündige
Bürger sehr wohl in der Lage ist, mitzureden und die Dinge zu beeinflussen.
Seit der Veranstaltung trifft sich
regelmäßig ein Arbeitskreis im malu-Treff in der Martin-Luther-Kirche in
Erlangen zu diesem Thema, um in unserer Bildungslandschaft etwas
voranzubringen. Wer Interesse an weiteren Austausch hat, kann sich an Für die
Familie e.V. wenden.
Quelle: Für die Familie,
Infobrief 9, Dezember 2009
[1] Artikel 131. (1) Die Schulen sollen
nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden.
(2) Oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser
Überzeugung und vor der Würde des Menschen, Selbstbeherrschung,
Verantwortungsgefühl und Verantwortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft,
Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne. (3) Die Schüler sind im
Geiste der Demokratie, in der Liebe zur bayerischen Heimat und zum deutschen
Volk und im Sinne der Völkerversöhnung zu erziehen.